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Warum Kontrolle, Konkurrenz und starre Strukturen hier keine Rolle spielen

Selbstführung statt Kontrolle: Wie funktioniert Entscheidungsfindung ohne Chefs?

Wie Selbstorganisation und Vertrauen klassische Führung überflüssig machen

Ein Gespräch mit Steve Sämmang - Gründer der milk + honey solutions GmbH mit Sitz in Wien.
Das Gespräch führte Stefan Willuda in der entstehenden Gesprächsreihe "anders unternehmen"


veröffentlicht am 03.02.2025

Stefan: Gründen ist in Deutschland und Österreich noch immer ein Sonderweg. Warum hast Du gegründet statt Dich anstellen zu lassen?
Steve: Ich hatte schon immer Projekte eher unkonservativ gestaltet. Als Angestellter hatte ich in meinem ersten Job große Gestaltungsfreiheit und einen Chef, der eher “laissez-faire” führte. Zusätzlich war es auch eine in-House Position, bei der Budgets ja bekanntlich eine untergeordnete Rolle spielen.

Später war ich dann in klassischen IT-Beratungsprojekten unterwegs und auch eine gewisse Zeit für Systemhäuser, die Kundenprojekte verkauft und durchgeführt haben. Hier waren klare Strukturen gefordert, die sich klassischerweise stark am Budget bzw. Stundenkonto orientieren. Im Vergleich zum ersten Job hat besonders die Innovationsfähigkeit in diesem Kontext gelitten. Typische Sätze wie “So wird das überall gemacht” und “In anderen Firmen läuft das genauso” waren die Standardausreden bei Änderungsvorschlägen. Ich hatte auch nicht das Gefühl, dieses System in einer Führungsposition ändern oder “dehnen” zu können.

Deswegen die Gründung. Nicht, weil ich mir sicher bin, es zu schaffen. Nein, eher war es die Neugier, ob es anders funktionieren würde. Ob man die Standards in der Branche “IT-Beratung” ignorieren kann. Bei uns geht das einher mit einer starken Orientierung am Output und einer großen Freiheit, diesen Output zu erreichen. Priorität liegt also im Gestaltungsraum jeder einzelnen mitarbeitenden Person.

Stefan: Wolltest du etwas anders machen als andere Unternehmer:innen? Gab es ein Schlüsselereignis, aus dem heraus dieser Wunsch erwachsen ist? 
Steve: Wie gerade beschrieben, hat es mich “getriggert”. Menschen behaupteten immer wieder, dass es so sein muss und meine Vorstellungen sich zwar gut anhören würden, aber naiv wären. Ich habe mich dann oft eher in der Beobachterrolle befunden und wahrscheinlich darauf gewartet, älter und damit weniger naiv zu werden.

Prioritäten waren in meinen Augen immer die Fairness, der Spaß und das Gefühl, einen Mehrwert für andere herzustellen. 

Ich bin mir dabei auch sicher, dass wir mit dem Ansatz nicht alleine sind und es schon Unternehmen gibt, die ähnlich arbeiten. Nur war eine Gründung einfacher, als danach zu suchen.

Stefan: Was macht Dein Unternehmen? Und was macht es besonders? 
Steve: Ich habe mal den Satz gelesen “Fund the team, not the project” und das beschreibt uns eigentlich recht gut, wenn es um die Unterschiede geht. Wir sorgen uns in erster Linie nicht darum, den Profit zu maximieren, einen Exit hinzulegen oder massiv zu wachsen. Wir wollen eine Umgebung finanzieren, die uns ermöglicht, Lieblingskunden und -projekte zu bedienen. Im Vergleich mit anderen Unternehmen unserer Branche schauen wir dabei eben nicht auf die individuelle Leistung der Einzelperson. So etwas wie “Ziel der Verrechenbarkeit” gibt es bei uns nicht. Unser doch eher langsames Wachstum gleichen wir dabei mit einem engen Netzwerk mit Partnerunternehmen aus. Hier sehen wir andere nicht, wie früher üblich, als Konkurrenz (oder viel schöner: Mitbewerber), sondern als Möglichkeit auch größere Projekte anzunehmen und gemeinsam umzusetzen. Wir setzen auf win-win.  

Stefan: Jedes Unternehmen hat als Folge bestimmter struktureller Eigenheiten eine ureigene Kultur. Kultur ist der Schatten organisationaler Gestaltungsentscheidungen. Wenn Du versuchst Dein Unternehmen mit den Augen einer neuen Kolleg:in zu betrachten: Welche Kulturmerkmale kannst du erkennen und welche organisationsstrukturellen Eigenheiten könnten für diese kulturelle Besonderheit mit verantwortlich sein?
Steve: Puh. Ich denke und weiß, dass unsere “Struktur” für neue Mitarbeitende oder Gäste oft nicht greifbar ist. Das bedingungslose Vertrauen und die Freiheit können überwältigen. Wir geben daher allen auch die Möglichkeit für sich selbst mehr Struktur zu simulieren. Wir haben z.B. keine echte Zeiterfassung, sondern Vertrauensarbeitszeit. Neue Mitarbeitenden hilft es jedoch, für sich selbst Zeiterfassung zu betreiben. Irgendwann hören sie damit auch wieder auf.

Wir haben beschlossen, dass wir definierte Strukturen erst entwerfen und installieren, wenn wir sie benötigen und einen Mehrwert darin sehen. Urlaubsanträge gibt es bei uns nicht, die Mitarbeitenden dokumentieren die genommenen Tage gesetzeskonform. Krankschreibungen benötigen wir ebenso nicht. Aus unserer Sicht hätte der offizielle Krankenschein für uns nur einen Mehrwert, wenn der Ausfall sechs Wochen oder länger anhalten würde. 

Wir pflegen unseren “Code-of-conduct”. Dieser beinhaltet momentan aber eher Grundsätze, wie “Vertrauen als Basis”, “Konsent für Entscheidungen” oder dass wir uns an den “Lean Prinzipien” orientieren. 

Ich habe das Gefühl, dass auf neue Mitarbeitende besonders positiv wirkt, dass sie ab dem ersten Tag mitgestalten dürfen. Ihr eigenes Arbeitsumfeld und den Kontext, den milk + honey bietet.

Stefan: Welche Strukturen oder Prozesse habt ihr bei euch bewusst abgeschafft oder gar nicht erst eingeführt, weil sie euren Gestaltungsprinzipien widersprechen?
Steve: Unser Standardvorgehen ist in allen Prozessen eigentlich die “Grüne Wiese”. Wir denken Prozesse neu oder versuchen es zumindest. Dies aber auch erst, wenn wir merken, dass wir einen Prozess brauchen. D.h. wir haben doch eher ein relativ loses Vorgehen. Sollte sich damit ein Problem ergeben, diskutieren wir mögliche Lösungen.

Wir versuchen dabei, wenn ein Prozess notwendig wird, immer einen einfachen Weg zu wählen. Urlaubsplanung passiert auf Zuruf. Es gab bisher noch keine kritischen Überschneidungen. Gehaltsgespräche sind hinfällig, da wir alle dieselbe Gehaltshöhe haben. Unser Standardarbeitsvertrag war bisher mit 4 Seiten recht kurz. Aktuell haben wir ihn auf eine Seite reduziert. Da in Österreich fast alles über sog. Kollektivverträge definiert ist, reichen uns wenige Absätze. Reisen, Software und Material kauft jede und jeder nach Bedarf. Mitarbeitende haben Zugriff auf eine persönliche Debitkarte sowie eine Kreditkarte. Da auch alle Übersicht über Konto, Cashflow und Forecast haben, haben auch alle ein Gefühl dafür, wie “liquide” wir momentan für Anschaffungen und Reisen sind.

„Ich habe mich damit abgefunden, dass ‘meine’ Firma sich irgendwann nicht nach meinen Erwartungen entwickelt.“

Stefan: Für viele junge Unternehmen ist Wachstum das Maß aller Dinge. Wie wichtig ist Wachstum für Dich? Was wächst bei euch?
Steve: Bei uns steht Stabilität und Spaß über dem Wachstum. Es ist nicht so, dass wir Wachstum kategorisch ausschließen, aber dieser muss sich solide darstellen. Wenn es kurze Spitzen sind, tendieren wir eigentlich eher zum erwähnten Skalieren zusammen mit unserem Netzwerk.

Es soll nun nicht wirken, dass wir gar nicht wachsen. In 5 Jahren sind wir nun von einer Vollzeitstelle auf 4 gewachsen. Unser Umsatz ist in den letzten Jahren jeweils ca. 15-20% gewachsen und es ist sogar ein kleiner Gewinn hängen geblieben. Ich kenne aber andere Unternehmen in unserer Bubble, bei denen das definitiv schneller und größer ging. Deshalb rede ich da eher von einem langsamen Wachstum.

Ob und wie groß wir werden wollen, ist tatsächlich immer wieder Gegenstand unserer Diskussionen. Ich bin da selbst sehr gespannt.

Stefan: Was bedeutet Erfolg für Dich und für das Unternehmen?
Steve: Gut schlafen zu können. Zu sehen, dass wir finanziell so stabil sind, dass wir uns über die nächsten Monate um die Kundenprojekte kümmern können und Geld zur Nebensache wird. 

Wenn diese persönliche Stabilität erreicht ist, gehört zum Erfolg auch positiver Impact auf unseren direkten Einflussbereich.

Stefan: Führung ist ein soziales Phänomen, das sich in Gruppen einstellt. In den meisten Unternehmen wird dieses komplexe Phänomen auf eine Führer-Folger-Beziehung verkürzt, bei der der Chef das Sagen hat und Mitarbeitende gehorchen sollen - hart ausgedrückt. Wie gestaltet ihr Führung in Deinem Unternehmen? 
Steve: Ursprünglich war ich der Meinung, dass wir ein Unternehmen aufbauen, ganz ohne Führung. Das war naiv. Natürlich gibt es Führung in jeder Situation. Wir versuchen das aber eher aufzuteilen und kontextabhängig zu gestalten. Je nach Projekt, Aufgabe, Skills, manchmal auch Energie und Stimmung. 

Diese Art der Führung kann natürlich von der formellen Führung abweichen und ich als Geschäftsführer könnte jederzeit alle überstimmen. Eine Freundin sagte einmal: “Ja, aber du hast trotzdem 100% der Anteile”. Ansporn genug, die Firma nach und nach unter allen aufzuteilen. Aktueller Stand: Ich habe nur noch 52% der Anteile.

Stefan: Der dm Drogeriemarkt Gründer Götz Werner sagte in einem Interview einmal, dass Führung nur dann legitim sei, wenn diese zur Selbstführung der Menschen im Unternehmen führe. Wenn die Initiative des Einzelnen durch die Führungsleistung gestärkt würde. Woran denkst du, könnte man in Deinem Unternehmen erkennen, dass so etwas geschieht? 
Steve: Ich bin begeistert von der Entwicklung meiner Kollegen und Kolleginnen. Ich hatte einen riesigen Vorsprung mit meiner Freiberuflichkeit. Ich konnte schon sehr viel Erfahrung mit Selbstführung machen. Ich habe das Gefühl, dass unsere Art der Führung und Arbeit die Angestellten nach und nach zu “Unternehmerinnen” macht. (Was auch in einem Fall schon passiert ist.) 

Dazu kommt noch, dass ich unheimlich neugierig bin, wie “milk + honey” zukünftig gestaltet wird. Selbstführung bedeutet für mich auch in letzter Konsequenz, dass sich die Firma in eine Richtung bewegen kann, die nicht meinem persönlichen Wunsch entspricht. Und das muss auch absolut in Ordnung sein. In diesem Fall würde ich das Unternehmen verlassen können mit der Gewissheit, dass es funktioniert hat.

Mich hatte dazu ein Zitat aus einem Blogeintrag sehr zum Nachdenken angeregt: „Our team felt flat and egalitarian. But you can't ever forget that it was only that way because you forced it to be that way.” - Das ist ein interessantes Paradox. Die Gratwanderung zwischen “etwas Gutes tun” und “den anderen ein Umfeld aufzwingen” ist sehr verbreitet in unserer Blase. Aber ist es denn wirkliche Selbsterkenntnis und Selbstbestimmung, wenn wir ein System vorgeben? Wir gestalten ein System, in dem sich jede und jeder frei entfalten kann, aber nach unseren Vorstellungen? 

Ich habe mich damit abgefunden, dass “meine” Firma sich irgendwann nicht nach meinen Erwartungen entwickelt. Und die Möglichkeit entdeckt, neugierig zu sein. Vielleicht wird es ja noch viel besser, als ich es hätte machen können.

Stefan: In meiner Arbeit als Berater für Organisationsentwicklung arbeite ich mit dem Modell der Organisationsphysik. Dieses mentale Modell unterscheidet zwischen drei Organisationsstrukturen, die in jeder Organisation gleichzeitig und miteinander wirken - die formelle Struktur, die informelle Struktur und die Wertschöpfungsstruktur. Die formelle Struktur stellt die Rechtlichkeit, die Compliance, sicher, die informelle Struktur befriedigt psychosoziale Bedürfnisse und die Wertschöpfungsstruktur schafft die Leistungen für die zahlenden Kunden im Markt. Welche Organisationsstruktur hat bei euch das Sagen? Woran kann man das erkennen?
Steve: Wenn ich das richtig verstehe, bewegen wir uns hauptsächlich in der informellen und in der Wertschöpfungsstruktur. Die formelle Struktur ist bei uns offiziell nur der “letzte Ausweg”. Da ich als Geschäftsführer natürlich auch eine Privathaftung habe, steht mir die formelle Struktur zur Verfügung, um Schaden von meinem Privatleben abzuwenden. Wir haben da gemeinsam im Team in diesem Jahr eine klare Linie vereinbart. Die anderen beiden Strukturen stehen bei uns in gesunder Wechselwirkung. Wir lieben, was wir machen und es gibt uns sehr viel, Kundinnen und Kunden den Alltag mit unseren Lösungen zu verschönern.

Stefan: Mit Blick auf stark selbstorganisierte Unternehmen wird oft ein Vorwurf erhoben: Sie würden nicht zu Entscheidungen kommen und ständig alles bis zum Umfallen diskutieren. Was würde man in Deinem Unternehmen beobachten? Wie trefft ihr Entscheidungen? 
Steve: Die meisten Entscheidungen kann jeder und jede treffen, wenn Sie anstehen. Wir gehen davon aus, dass alle im besten Wissen und Gewissen handeln. Wir vertrauen uns bedingungslos. Grundsatzentscheidungen, welche das Unternehmen betreffen, werden im Konsent getroffen. Dazu gehören Entscheidungen, die nachhaltigen Einfluss auf den Kapitalfluss, die Strategie, den Umgang mit Mitarbeiter:innen und Kund:innen betreffen. Wir müssen sozusagen nicht alle einer Meinung sein, aber große Zweifel müssen ausgeräumt werden. Wir hatten bisher noch keinen Fall, dass die Entscheidungsfindung blockiert oder langwierig war.

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„Ursprünglich war ich der Meinung, dass wir ein Unternehmen aufbauen, ganz ohne Führung. 
Das war naiv.“

Stefan: Mary Parker Follett, eine der Mütter des modernen Managements, unterschied bei dem organisationalen Umgang mit Konflikten zwei Formen: Die Durchsetzung und die Integration. Bei der Durchsetzung muss eine Konfliktpartei “gewinnen” - häufig auch durch die “Eskalation” zum Chef oder Geschäftsführer. Bei der Integration bearbeiten die Konfliktparteien den Konflikt gemeinsam - unter Einbeziehung aller Perspektiven. Welchen Umgang findet ihr mit Konflikten? 
Steve: Wenn dies die beiden Möglichkeiten sind, dann die “Integration”. Am Ende sollen alle bzw. das Team gewinnen. Jede andere Herangehensweise würde komplett gegen unsere Kultur sein. 

Grundsätzlich habe ich für mich die Erkenntnis gewonnen, dass es in einem offenen Umfeld sogar mehr Konflikte gibt. Man kann also sehr gut Erfahrung damit sammeln. Wie man sie integrieren kann, hängt oft von der Eskalationsstufe (Phasenmodell) ab. Wie viel emotionale Ebene hat der Konflikt schon und können wir ihn noch ohne Hilfe lösen? Wir nehmen uns dann viel Zeit zum Reden, um den Grund des Konfliktes gemeinsam zu erarbeiten. Wenn dieser dann greifbar ist, wird gemeinsam eine Lösung gesucht.

Stefan: Ein Thema mit Konfliktpotenzial ist Geld. Wie geht ihr bei euch mit Geld um? Wer weiß über Geld bescheid? Wer hat Geld und darf es ausgeben? Wer löst die Spannung auf, wenn das Geld mal nicht für alle Wünsche reicht?
Steve: Jeder kennt bei uns den Kontostand und den Forecast. Es gibt keine Geheimnisse. Dazu hat jeder Zugang zu Kreditkarten und Zahlungsdaten. Wenn das Geld knapp wird (und das wurde es dieses Jahr), suchen wir gemeinsam eine Lösung, wie wir die Phase überstehen können.

Jede und jeder erhält dasselbe Gehalt und die Möglichkeit, Gesellschaftsanteile zu erwerben. Wie wir mit übermäßig viel Geld umgehen? Den Fall hatten wir noch nicht, aber ich bin mir sicher, auch das werden wir schaffen.

Stefan: Du bist Gründer und Geschäftsführer eines ungewöhnlichen, eines besonderen Unternehmens. Was sind die größten Herausforderungen, ein Unternehmen so zu führen wie Du, wie ihr es tut?
Steve: Die größten Herausforderungen sind definitiv, Dinge neu zu denken. Zu überlegen, wie es anders geht. Wir leben zum Glück in einer Zeit, in der viele schon sehr viel über diesen “anderen Weg” nachgedacht haben. Es gibt so unglaublich viele Impulse und Ideen.

Es ist sehr wichtig, immer wieder mit sich selbst kritisch zu sein. D.h. immer wieder zu prüfen, ob man sich nicht belügt und ein Konstrukt nur am Leben erhält, weil man einer Ideologie folgt. Es macht keinen Sinn, ein modernes Umfeld schaffen zu wollen, es dann jedoch persönlich zu subventionieren, damit es überlebt. Es ist aber genau deswegen auch immer wieder ein schönes Erlebnis, wenn man in der nächsten Iteration sieht, dass es funktioniert und vielleicht nur kleine Anpassungen gefehlt haben.

Stefan: Viele junge Unternehmen scheinen sich, trotz bester Intentionen, als Folge der “Professionalisierung” im Zuge des Wachstums zu kleinen Konzernen zu entwickeln. Einige Gründer:innen sehen eine Ursache dafür im Einfluss der Investoren, oder in den rechtlichen Rahmenbedingungen. Wie gestaltet ihr eure “Professionalisierung”, um kein kleiner Konzern zu werden? 
Steve: Du spricht schon einen wichtigen Punkt an. Investoren sind immer daran interessiert, dass sich die Investition lohnt und das eingesetzte Kapital sich vermehrt. Dies steht aber den Zielen eines “New Work” Unternehmen entgegen. Diese Abhängigkeit halte ich für extrem inkompatibel. Denn ich halte “New Work” zwar für nachhaltig sehr profitabel, aber der “Profit” ist nicht so einfach definiert, wie es das klassische Kapitalinvestment kennt. Investoren wollen von außen steuern, was dem Selbstmanagement von innen entgegen steht.

Ein anderes Problem halte ich für eher menschlich. Wir tendieren dazu, in Krisen und Stresssituation altbewährte Verhaltensweisen einzusetzen. Unternehmungen haben besonders in den ersten Jahren viele dieser Stresssituationen und wir haben ja alle im letzten Jahrtausend gelernt, wie man Unternehmen führt. Nicht nur, was wir im Studium oder der Schule gelernt haben. Die Geschichten von Unternehmen aus dem Umfeld, der Familie, dem Freundeskreis und den Medien und Filmen. Alles hat uns doch recht deutlich aufgezeigt, wie eine Standardunternehmen zu führen ist.

Dazu kommt noch die berühmte “Uncertainty Avoidance” in unserem Kulturkreis, die schon vorher jegliches potenzielles Problem mit einer Lösung versehen will. Und last-but-not-least die Einflüsse durch Business-Influencer, dass wir alle skalierbar sein müssen und deswegen ganz dringend alle Prozess schleifen und automatisieren müssen. Ich frage mich dann immer, ob uns gerade das nicht einfacher durch KI ersetzbar macht.

Stefan: Denkst Du manchmal, dass es einfacher wäre, wenn Du Dein Unternehmen klassisch managen würdest? In welchen Situationen ist das?
Steve: Natürlich hat man solche Gedanken. Gerade in diesen beschriebenen Krisensituationen. Wenn das Geld knapp wird und du die dritte Ausschreibung verloren hast. Wenn die alten gelernten Verhaltensmuster kicken und man sich kurz denkt, dass eine kleine gemäßigte Diktatur die Lösung wäre. Aber die Lösung für was und wen? Ich glaube fest daran, dass wir den für uns richtigen Weg gehen.

Und je öfter man dieser alten Denkweise widersteht, desto klarer entscheidet man sich zukünftig dagegen.

Stefan: Fühlst Du Dich manchmal einsam mit Deiner Art zu unternehmen? Wie gehst Du mit diesen Situationen um?
Steve: Nein. Es gibt viele tolle Menschen, die schöne Umgebungen der Wertschöpfung schaffen. Ich beobachte diese Unternehmungen sehr gerne. Sie stärken meinen Glauben und bringen unheimlich tolle Impulse.

LinkedIn hat z.B. eine super Möglichkeit, sich eine Bubble zurechtzulegen. Damit konnten wir unser Netzwerk erweitern. Z.B. fanden wir auch ein tolles Steuerberatungsbüro in Wien (Team23), die unsere Denkweise sehr gut nachvollziehen, da sie gerade New Work Leuchturm in ihrer Branche werden.

Größere IT-Unternehmen, die einen fairen Ansatz fahren, wie SQUER aus Wien zeigen uns, dass es auch in “groß” funktioniert, Dinge neu zu denken. 

Andere Branchen und andere Projekte können super Impulse bieten. So wie auch der Beta Hof.

Und dann die unzähligen Strömungen der “New Work”. “Tight Loose Tight” als Beispiel mit einer wunderbaren Susanne Ringen. Die New/Equal Pay Bewegungen. Vereine, die Quereinsteigerinnen unterstützen. Es ist einfach so motivierend zu realisieren, eben nicht allein zu sein mit unserer Art.

Stefan: Welche Missverständnisse oder Vorurteile begegnen Dir häufiger, wenn Du Deine Ansätze erklärst? Wie reagierst Du darauf?
Steve: Der Klassiker ist die Aussage “Klar funktioniert das bei euch, ihr seid ja noch ein kleines Unternehmen”. Diese Aussage kann man nur schwer entkräften. Ich betone dann aber oft, dass ich daran glaube, dass dies auch in größeren Strukturen funktionieren kann. Dann nur anders. 

Und wie anders, muss man gemeinsam herausfinden und erarbeiten. Ich bin aber auch eher dazu übergegangen, die Gründe für die Vorurteile bei den Personen zu hinterfragen. Das können auch wieder sehr wertvolle Impulse für uns sein. Ganz nach Ted Lasso: “Be curious, not judgmental”

Stefan: Ich danke dir für das Gespräch! Für mich war das sehr inspirierend und ich hoffe, es inspiriert auch andere. 

Kontakt

Falls Du diese Gedanken vertiefen möchtest, kannst du mit mir in Verbindung treten. 

Vertiefende Quellen

Das Beta Hof Magazin

Weitere Texte zu Organisationsgestaltung, Führung und gutem neuen Arbeiten.

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